Lesung: Briefe von Karola Bloch an Siegfried Unseld

Unter dem Titel "Etwas, das in die Phantasie greift" (Karola Bloch) – Briefe von Karola Bloch an Siegfried Unseld und Jürgen Teller – Zwischen Freundschaft und Arbeit am Blochschen Werk" lesen Irene Scherer und Welf Schröter vom Talheimer Verlag aus der neuen Edition am Donnerstag, 2. Juni 2016, 19 Uhr, im Ernst-Bloch-Zentrum, Walzmühlstraße 63. Vor der Lesung, um 18 Uhr findet eine öffentliche Führung durch die aktuelle Sonderausstellung "Can you speak to me in a language I don‘t understand? Hugo Ball und Mariechen Danz" statt. Der Eintritt zu der Lesung ist frei.

Mit dieser Edition von Briefen Karola Blochs an den Verleger Siegfried Unseld und den Philosophen Jürgen Teller, einem Schüler ihres Mannes Ernst Bloch, lassen sich die besonderen Lebensleistungen von Karola Bloch würdigen. Es sind Briefe aus ihrer Tübinger Zeit, nachdem Ernst und Karola Bloch aus politischer Überzeugung die DDR 1961 verlassen hatten. Die Briefe an Siegfried Unseld – vorwiegend aus den sechziger und siebziger Jahren (1960 bis 1990) – spiegeln die damaligen politischen Kontroversen und insbesondere die Geschichte der Entstehung des Blochschen Gesamtwerkes.

Intensiv arbeitete ein Team von Autorinnen und Autoren an einer besonderen Würdigung der Polin, Jüdin und Sozialistin Karola Bloch. Nach intensiven Recherchen und Archivtätigkeiten konnte ein Band mit Briefen Karola Blochs erscheinen, der ihre Bedeutung beim Entstehen des Gesamtwerkes von Ernst Bloch im Suhrkamp Verlag in ein ganz neues Licht rückt. Die Sammlung von mehr als zweihundert Briefen von Karola Bloch an den Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld aus den sechziger und siebziger Jahren offenbart eine bislang weitgehend unterschätzte Rolle der Architektin bei der Herausgabe des philosophischen Gesamtwerkes von Ernst Bloch. Die Briefe zeigen das proaktive und sensible Editionsmanagement Karola Blochs, das nicht selten das Handeln des Verlegers Unseld zu beeinflussen versuchte. Die Einblicke in bisher unveröffentlichte Briefe an den Suhrkamp Verlag zeigen die Geschichte einer engen Freundschaft zwischen Ernst und Karola Bloch sowie Siegfried und Hilde Unseld. Sie belegen die Bedeutung Karola Blochs für die Ermöglichung der Gesamtausgabe überhaupt. Zudem beschreiben sie das Verhältnis der Blochs zu zeitgenössischen Intellektuellen wie etwa Walter Benjamin, Theodor Adorno, Arnold Metzger und anderen.

"Etwas, das in die Phantasie greift." So lautet ein Schlüsselsatz von Karola Bloch. In ihm wirkt die damalige politische Aufbruchstimmung der bundesrepublikanischen Gesellschaft der sechziger Jahre bis heute nach. Der Wunsch nach Veränderung fordert die "Anstrengung des Begriffs", die Auseinandersetzung mit Philosophie und Politik, die Beschäftigung mit Theorie und Praxis. Die erhoffte Umwälzung der Verhältnisse, die Emanzipation des Individuums, neue Lebensformen – all dies verlangt tätige Phantasie, konkrete Utopie. Die Briefwechsel zwischen bedeutenden Personen jener Zeit können einen Zugang in das Denken, in Konflikte und Stimmungen jener Tage eröffnen. Der Briefwechsel will solche Einsichten ermöglichen. Dabei stehen die Akteure Karola Bloch, Siegfried Unseld, Jürgen Teller und Ernst Bloch im Vordergrund. Diese Briefe sind Spuren angestoßener und vollendeter Arbeit, von unabgegoltener praktischer Hoffnung und der Sehnsucht nach einem sich befreienden Subjekt.

Die Briefe an den von der StaSi verfolgten Jürgen Teller schreibt Karola Bloch in den achtziger Jahren (1982 bis 1989), im letzten Jahrzehnt der DDR, bevor die dort anwachsende Bürgerbewegung die Mauer von innen einstürzen lässt. Diese Briefe sind bislang unveröffentlicht. Sie wurden erst viele Jahre nach Jürgen Tellers Tod gefunden.

Der gesamte Band zeigt die Zusammenarbeit der Blochs mit zahllosen Intellektuellen sowie mit Blochs Assistenten und Schülern wie Burghart Schmidt, Beat Dietschy, Eberhard Braun und vielen anderen.

Irene Scherer, Welf Schröter (Herausgeber): "Etwas, das in die Phantasie greift". Briefe von Karola Bloch an Siegfried Unseld und Jürgen Teller. 396 Seiten, Mössingen 2015, ISBN 978-3-89376-156-2, mit Beiträgen von Karola Bloch, Jürgen Jahn, Gordana Škori?, Claudia Lenz, Irene Scherer, Welf Schröter.