Der stadtbildprägende Lutherturm hat im Gegensatz zum dazugehörigen Kirchenschiff die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs überstanden. Die Geschichte der Kirche erzählt von den Anfängen des protestantischen Gemeindelebens im noch jungen Ludwigshafen und davon, wie trotz widriger Umstände und mit Beharrlichkeit ein einstmals großer Kirchenbau entstanden ist.

Wenn man so will, waren die Anfänge des religiösen Lebens in Ludwigshafen zumindest im räumlichen Sinne ökumenisch, denn in den ersten Jahren der jungen Stadt mussten Katholiken und Protestanten in Ermangelung eigener Gebetshäuser in einer gemeinsam genutzten Simultankirche, der späteren Synagoge, ihre Gottesdienste abhalten. Aber eine Nutzung zu unterschiedlichen Zeiten war keine dauerhafte Lösung. Im Jahr 1853 prophezeite die „Pfälzer Zeitung“ gar, dass der Mangel an Kirchenbauten für „gottesdienstliche Übungen“ dazu führte, dass „ein großer Teil der Bevölkerung durch gänzliche Entfremdung von allem kirchlichen und religiösen Leben völlig zu verwildern“ drohe. Eine „Gefahr für Zucht und Sitte“ also, der es aus Sicht der Presse zu begegnen galt.

Im Stil der Neugotik

Doch die protestantische Gemeinde Ludwigshafens war nicht untätig. Der Bau einer eigenen Kirche, der ersten protestantischen in Ludwigshafen, wurde konkret, nachdem die Kirchengemeinde einen Bauplatz an der Maxstraße erwarb. Mit den Plänen beauftragt wurde der Münchner Architekt August von Voit. Dessen Entwurf für einen neugotischen Bau erhielt die Zustimmung der Oberbaubehörde und im August des Jahres 1858 konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden. Ausgeführt wurden sie von den Ludwigshafener Baumeistern Joseph und Wendelin Hoffmann. Die Neugotik war in der Geschichte der Architektur hauptsächlich im
19. Jahrhundert vertreten und orientierte sich in der Gestaltung an der vergangenen Stilepoche der mittelalterlichen Gotik. Zahlreiche Kirchen, Universitäten und auch öffentliche Bauten wurden im neugotischen Stil errichtet, weltbekannte Beispiele sind etwa der Palace of Westminster in London, das neue Rathaus in München oder auch der Kölner Dom.

Eine lange Zeit bis zur Vollendung

Trotzdem die Gemeinde mit rund 1.250 Mitgliedern noch recht überschaubar war, plante man in größerem Stil ein Kirchenschiff mit über 1.000 Sitzplätzen. Zu Verzögerungen beim Bau führte die zunächst unzureichende Finanzierung, dennder Staat hatte anfänglich nur einen Bruchteil der Kosten in Aussicht gestellt. Entgegen dieser Widrigkeiten kam im Dezember 1862 Friedrich Keim als erster evangelischer Pfarrer nach Ludwigshafen und übte sein Amt fast 50 Jahre aus. Keine vier Monate vor seinem Amtsantritt war das Richtfest der Lutherkirche gefeiert worden. Im November 1864 wurde die Kirche geweiht, doch die Ludwigshafener Protestanten mussten sich zunächst mit einem Rohbau zufriedengeben, war die Kirche zu diesem Zeitpunkt doch weit von einer Fertigstellung entfernt. Es fehlte die komplette Innendekoration, Bänke waren noch keine vorhanden, ganz zu schweigen von Altar, Kanzel oder Orgel. Die weitere Finanzierung ergab sich erst in den folgenden Jahren. Nach dem Ende des Deutsch-Französischen Kriegs 1871 kam die Vollendung jedoch voran, der Staat gewährte einen größeren Zuschuss und die stetig wachsende Zahl der Gemeindemitglieder sorgte für zusätzliche Einnahmen. So konnten 1872/1873 nötige Stukkateur-, Verputz- und Malerarbeiten in Auftrag gegeben werden, eine Kanzel und ein Taufstein wurden besorgt und 1874 wurde gar eine Orgel gekauft. Doch 1876 gab es noch immer keinen Altar, zudem standen die ersten Dachreparaturen an. Ein Darlehen der Pfälzischen Eisenbahn sicherte die finanzielle Grundlage. Die Vollendung des Turmes übernahm 1879 Voits Sohn August, finanziert durch die Einnahmen einer Lotterie, die speziell für diesen Zweck ins Leben gerufen wurde. Schließlich wurden 1883 über den Portalen Figuren der vier Evangelisten von dem Karlsruher Bildhauer Karl Friedrich Moest aufgestellt und die Kirche war vollendet. Ihren heute geläufigen Namen erhielt die Lutherkirche allerdings erst 1917 zum Jubiläum der 400 Jahre zurückliegenden Reformation. Die Jahre zuvor war sie schlicht „Protestantische Kirche“ genannt worden.

Der Turm wird gerettet

Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg legten das Kirchenschiff in Schutt und Asche. An Wiederaufbau konnte die Gemeinde damals aus finanzieller Sicht nicht denken, das spärlich vorhandeneGeld wurde vorrangig für den Bau von Kindergärten oder karitative Zwecke eingesetzt. Aus den Trümmern des Kirchenschiffs entstand die kleinere Melanchthonkirche. Der verbliebene Turm allerdings war eine Herausforderung, denn als nunmehr alleinstehendes Bauwerk musst er stabilisiert werden. Sein Erhalt war in der Ludwigshafener Stadtgesellschaft nicht unumstritten, Stimmen wurden laut, der Platz könne sinnvoller genutzt werden. Doch schließlich wurde mit finanzieller Unterstützung von Kirche, Land und Stadt die Summe bereitgestellt und der Turm von 1969 bis 1971 renoviert und stabilisiert. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass sich seit 1972 im Turm eine wohl deutschlandweit einmalige Kombination aus Glocken befindet. Denn die akustischen Schwingungen von großen Glocken waren für das alte Bauwerk statisch nicht unproblematisch, und so entschied man sich für die Kombination aus zwei großen Glocken sowie – um das Geläut nicht monoton werden zu lassen – vier weitere kleine Glocken aus einer Karlsruher Gießerei. Im März 1972 war zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder das Geläut des mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Turmes in Ludwigshafen zu hören, der als Mahnmal für die Opfer der zwei Weltkriege steht. Der Platz, auf dem einst das Kirchenschiff stand, wurde erst Anfang der 1960er Jahre zur Verbesserung des Stadtbildes vom Schutt befreit und in den 1990er Jahren neu gestaltet. Sein Grundriss ist jener des ehemaligen Kirchenschiffs. Aus dieser Zeit stammt auch der Lutherbrunnen, gestaltet vom Künstlerehepaar Barbara und Gernot Rumpf.