Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs der Schienenverkehr in Ludwigshafen. 1910 wurde das ehemalige Straßenbahndepot in Süd in Betrieb genommen. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude steht für einen Modernisierungsprozess des innerstädtischen Verkehrs.

In Ludwigshafen Süd befindet sich noch heute ein besonderes Gebäude in barockem Stil, das mit seiner aufwendig gestalteten Fassade das Straßenbild prägt. Entfernt erinnert es an eine Schule oder vielleicht sogar an eine Kirche, doch seine ehemalige Funktion war eine andere. Der Bau entstand in einer Zeit, in der die Verkehrsinfrastruktur Ludwigshafens sich grundlegend durch die in allen Bereichen der Gesellschaft eindringende Elektrifizierung zu wandeln begann.

Vom Pferd zum Strom

Ende der 1870er Jahre gab es innerstädtisch noch sogenannte Pferdebahnen, die recht langsam und deren Transportkapazitäten gering waren. Doch die Zeit der von Pferden gezogenen Bahnen ging dem Ende zu. Gleichzeitig wuchs die Bevölkerung Ludwigshafens, Ende des 19. Jahrhunderts wurden rund 40.000 Einwohnerinnen und Einwohner registriert, Berufspendelnde aus dem Umland kamen hinzu. Öffentliche Verkehrsmittel mussten also neu gedacht werden. Rechtsrheinisch ergriff Mannheim die Initiative und verfolgte Pläne einer mit Ludwigshafen gemeinsam betriebenen elektrischen Straßenbahn. Es sollte noch einige Jahre der Planung und Verhandlung zwischen den beiden Städten dauern, bis im Dezember 1901 schließlich der Vorvertrag vereinbart wurde. Noch im selben Jahr setzte der Ludwigshafener Stadtrat rund eine Million Mark an Mittel für den Straßenbahnbau frei. Im Mai 1902 stellte die Pferdebahn ihren Betrieb ein, fünf Tage später folgte die Geburtsstunde der elektrischen Straßenbahn mit der historischen ersten Probefahrt über die Rheinbrücke. Kurz darauf wurde die Strecke zwischen den Bahnhöfen von Ludwigshafen und Mannheim eröffnet.

Das Streckennetz wächst

Eine wesentliche Voraussetzung für den wachsenden Schienenverkehr war allerdings die Versorgung mit Strom. Um dem Bedarf an Elektrizität zu begegnen, hatte die Stadt anderthalb Millionen Mark in ein eigenes Elektrizitätswerk investiert und dieses 1901 in der Rottstraße eingeweiht. Mehr Schienenverkehr bedeutete auch mehr Straßenbahnen, die im Einsatz waren und die in betriebsfreien Zeiten untergebracht und von Technikern gewartet werden mussten. Folgerichtig stimmte im März 1909 der Stadtrat dem Bau eines Betriebshofs an der Beethovenstraße (heute Karl-Krämer- Straße) beim Luitpoldhafen zu. Eine Wagenhalle hatte es zwar seit 1906 in Friesenheim gegeben, doch diese war gegenüber der neuen in Süd kleiner ausgefallen. Der neue Betriebshof, der im November 1910 in Betrieb genommen werden konnte, bot auf sechs Gleisen Platz für insgesamt 36 Wagen. Entlang der heutigen Karl-Krämer-Straße entstand der Verwaltungsbau der städtischen Verkehrsbetriebe. Markus Sternlieb, der fünf Jahre zuvor nach Ludwigshafen in die Bauverwaltung gekommen war, wurde mit der Entwurfsplanung und der Bauleitung beauftragt, die Ausarbeitung der Pläne oblag dem städtischen Bauassessor und Architekten Gotthold Holzinger. Der zweigeschossige Verwaltungsbau mit dem auffälligen Uhrturm hatte vor seiner Erweiterung einen rechteckigen Grundriss und war an barocker Herrschaftsarchitektur angelehnt. Symbolisch sollte natürlich kein politischer oder religiöser Machtanspruch demonstriert werden, doch spielte es wohl durchaus eine Rolle, architektonisch die tiefgreifenden Wirkungen der technischen und damit wirtschaftlichen Entwicklung angemessen zu symbolisieren. Demgegenüber war die daneben errichtete Wagenhalle eher am Jugendstil orientiert.

Notwendige Erweiterung

Keine vier Jahre später musste der Betriebshof um die doppelte Kapazität von 72 Wagen erweitert werden. Bau und Inbetriebnahme neuer Straßenbahnlinien in Ludwigshafen und Mannheim machte die Beschaffung neuer Straßenbahnwagen notwendig. Für rund 580.000 Mark wurde das Depot ab September 1913 in rund einem Jahr erweitert. Probleme bereitete dies nicht, denn für die Längswände der alten Halle waren zwischen den Pfeilern schlichte Backsteinwände verbaut worden, die ohne Probleme entfernt werden konnten. Im Anbau entlang der Karl-Krämer-Straße befanden sich neben Dienstwohnungen die zusätlichen Büround Verwaltungsräume. Zu diesem Zeitpunkt rechnete man schon damit, dass der Platz in naher Zukunft nicht mehr ausreichen könnte, denn der Erläuterungsbericht des damaligen Stadtbauamtes zum Erweiterungsbau sah vor, dass „für späterhin notwendig werdende Erweiterungen (…) eine größere Geländefläche freigehalten werden“ soll. Dazu sollte es aber nicht kommen.

Ein neues Depot entsteht

Im Laufe der Jahrzehnte entwickelten sich die Technik der Fahrzeuge und die Verfahren zur Instandhaltung weiter. Im Jahr 1985 stellte man noch Überlegungen einer grundlegenden Modernisierung mit dem Ziel an, das Depot noch weitere 30 bis 40 Jahre zu nutzen. Doch zwei Jahre später war die Untersuchung von Alternativstandorten im Gespräch. Das Depot entsprach nicht mehr den gestiegenen Anforderungen an einen Betriebshof. Er wurde daher nach Rheingönheim verlegt und im Mai 1997 dort in Betrieb genommen. Der 31. Mai war mit dem Umzug der technischen Abteilung und der Verwaltung offiziell der letzte Tag des alten Straßenbahndepots in Süd. Durch Beschluss des Stadtrats 1996 wurde das Gebäude zu einem Kulturdepot, es sollte zur Aufwertung des geplanten Neubaugebietes Rheinufer Süd beitragen. Eine grundlegende Sanierung musste aber zunächst durch Mangel an finanziellen Mittel verschoben werden. Im Jahr 2012 wurde das Anwesen schließlich privatisiert.