Das unter Denkmalschutz stehende Stadthaus Nord ist eines der herausragenden repräsentativen öffentlichen Gebäude Ludwigshafens. Der Entwurf Markus Sternliebs für den neuen Verwaltungsbau stieß zu Anfang nicht nur auf Gegenliebe, denn er galt der bürgerlichen Mitte als verschwenderisch.

Fast schon wie ein Schloss wirkt das Stadthaus Nord, woher es auch seinen noch heute geläufigen Beinamen hat. Doch dieser bezieht sich nur auf das äußere Erscheinungsbild, denn mit Aristokratie hatten und haben seine Bewohner*innen herzlich wenig zu tun – es waren und sind bis heute Bedienstete der Stadt. Diese hatten Anfang des 19. Jahrhunderts in der noch jungen Stadt ein Platzproblem. Der wirtschaftliche Aufschwung Ludwigshafens ließ nicht nur die Bevölkerung wachsen, sondern auch die Aufgaben der Verwaltung auf vielen Ebenen.

Ein zusätzliches Gebäude wird gebraucht

Daher musste man mehr Personal einstellen, die Kommunalverwaltung wurde ausgebaut und professionalisiert. Gab es im Jahr 1865 nur rund 20 Bedienstete in der Verwaltung, waren es Ende 1913, dem Jahr des Baubeginns des Stadthauses Nord bereits über 600. Das Problem: Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur ein Verwaltungsgebäude in der Ludwigstraße, das trotz Erweiterungsmaßnahmen zu klein wurde. Markus Sternlieb, seit 1905 bei der Stadt in Ludwigshafen, erhielt die Federführung zu diesem Projekt. Das Grundstück, das die Stadt für den neuen Verwaltungsbau erworben hatte, wurde früher als Standort eines Jahrmarktes benutzt, es war eine Brache. Damit entschied man sich für eine dezentrale Lösung. Ein großes, zentrales Rathaus war zwar eine Option, die jedoch nicht umgesetzt wurde. Der Stadtrat beschloss 1913 daher den Bau eines zweiten städtischen Verwaltungsgebäudes am Eingang zum Hemshof.

Sternlieb plant großzügig

Sternlieb hatte zunächst nur an ein Provisorium gedacht für Veranstaltungen oder Ausstellungen. Bald jedoch regte Oberbürgermeister Krafft dazu an, im Gebäude auch Platz unter anderem für die Armenverwaltung, Feuerwehr- und Polizeistation, Säle für Vereine und die Volksbibliothek sowie das Stadtmuseum vorzusehen. Sternlieb musste also in größerem Stil denken und stellte am 13. Februar 1913 im Stadtrat seinen Entwurf für das Stadthaus Nord vor. Dieser sah einen achsensymmetrischen schlossartigen Bau in neuklassizistischem Stil vor, der durchaus an Herrschaftsarchitektur der Aristokratie erinnerte. Er sollte 147 Meter lang sein mit vier Stockwerken, Mittelrisalit und einem Uhrenturm, dessen Gipfel ursprünglich vier Statuen geziert hatten. Das war ein repräsentatives Gebäude im besten Sinn, die Baukosten wurden mit 750.00 Mark veranschlagt.

Geteilte Meinung zum Entwurf

Ganz ohne Widerstand wurde Sternliebs Entwurf von den Stadtratsmitgliedern jedoch nicht durchgewunken, einige hatten Bedenken und wünschten eine eher bescheidenere Ausführung. Insbesondere Ernst May, damaliger Leiter des Stadtbauamts, war den Plänen nicht zugetan. Im Generalanzeiger, der damaligen Lokalzeitung Ludwigshafens, wurde in Leserbriefen die Meinung geäußert, Sternliebs Projekte dienten der „persönlichen Verherrlichung“, es seien „kostspielige Liebhabereien“ oder verschwenderisches „Professoren-Biedermeier“. Doch am Geld sollte es letztendlich nicht scheitern, die Stadt Ludwigshafen war zu dieser Zeit wohlhabend und konnte sich einen solchen Bau durchaus leisten.

Eine Volksküche und ein Zimmer für den Oberbürgermeister

So hatten die Bauarbeiten noch im selben Jahr begonnen. Im folgenden Jahr 1914 wurden sie durch den Beginn des Ersten Weltkriegs verzögert, im Ostflügel wurden Ludwigshafener Wehrpflichtige untergebracht. Der westliche Teil war davon aber nicht betroffen, hier konnten die Arbeiten fortgesetzt werden. Im Jahr 1914/15 zogen dann auch die ersten Teile der Verwaltung im Westflügel ein, darunter das Bauamt, das Wasserwerk und das Arbeitsamt. Ab November 1915 konnte die Ludwigshafener Volksküche in das Gebäude, sie existierte viele Jahre bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier wurden Kinder und bedürftige Erwachsene mit einer Mittagsmahlzeit versorgt. Darüber hinaus gab es auch ein Dienstzimmer für den damaligen Oberbürgermeister Krafft, der 1916 hier einzog. Zudem wurde im Stadthaus Nord der Grundstein für das heutige Stadtarchiv gelegt, denn die Verwaltung hatte begonnen, systematisch Archivalien zur Stadtgeschichte anzulegen. 1915 eröffnete OB Krafft die erste Ausstellung einer „Stadt- und Kriegsgeschichtlichen Sammlung“. Jahre später wurde das Gebäude durch den Kauf anliegender Immobilien in der Hartmannstraße und der Limburgstraße erweitert und beherbergte seither verschiedene Bereiche der Stadtverwaltung. Der Europaplatz vor dem Stadthaus entstand im Zusammenhang mit der Verlegung des ehemaligen Hauptbahnhofs. Nach dem Bau des Rathauses wurde es Anfang der 1980er Jahre gründlich renoviert. Seitdem befindet sich dort das Sozialdezernat. Derzeit findet eine energetische Sanierung statt. Die Sprossenfenster werden wieder eingesetzt, das Dach wird neu gedeckt und das Gebäude erhält einen neuen Anstrich.