Ihre Fassade ist auch Jahrzehnte nach der Stilllegung der Walzmühle ein Wahrzeichen der Stadt. Durch ihren Standort an Rhein und Eisenbahn sowie durch ihre innovative Technik zählte sie Anfang des 20. Jahrhunderts zu den größten und leistungsfähigsten Mühlen in Deutschland.

Die Entscheidung für den neuen Standort in Ludwigshafen hatte logistische Gründe: Im Jahr 1885 erwarb die Frankenthaler Firma Kaufmann, Strauß und Co. ein großes Gelände direkt am Rhein, um die Transportwege ihrer Waren zu verbessern. Bis dahin musste die Mälzerei sie von Frankenthal aus über einen heute nicht mehr existierenden Kanal auf kleinen Schiffen zum Rhein transportieren. Der Kanal war zwischen 1772 und 1781 von Kürfürsten Carl Theodor angelegt worden, um eine Verbindung zum vier Kilometer östlich vorbeifließenden Rhein herzustellen. Doch dieser Transportweg war zeitaufwändig und kostspielig. Um ihn zu verkürzen, verlegte die Firma ihren Sitz nach Ludwigshafen und gründete dort die Walzmühle. Die Planung des Gebäudes übernahm der Bezirksbaumeister Adolf Lipps, die Mühle wurde rasch aufgebaut und schon 1886 konnte das neue Werk in Betrieb genommen werden.

Innovative Technik

Das Geschäft entwickelte sich von Anfang an günstig und die Produktion stieg. Das lässt sich nicht nur an der produzierten Menge an Mehl ablesen, die in den ersten Jahren runde 3.000 Zentner pro Woche betrug, sondern auch an der Zahl der Angestellten, die sich zwischen 1885 und 1901 vervierfachte. Für den Erfolg war allerdings nicht nur die gute Auftragslage durch eine wachsende Nachfrage an Weizen und Roggenmehl verantwortlich, sondern auch der Einsatz innovativer Technik, die zugleich Namensgeber für das Gebäude war: „Walzmühle“ leitet sich von den sogenannten Walzenstühlen ab, die von Dampfmaschinen angetrieben wurden und das Getreide zwischen gegenläufig rotierenden Walzen zerkleinerten. Zudem war der gesamte Prozess von Anlieferung, Produktion und Abtransport durch weitgehende Automatisierung effektiv organisiert. Zunächst wurde das Getreide von den Transportschiffen abgeladen und in große Silos gefüllt. Von dort ging es über Transportbänder in einen Reinigungsraum, wo es von Metallteilen, Holzstücken oder Steinen befreit wurde. Anschließend wurde es in die Walzenstühle befördert und gemahlen und in Mehlsilos gelagert. Nach erneuter Prüfung des Mahlgutes wurde es verladen und per Bahn, meistens jedoch per Schiff, zu den Kunden transportiert.

Der große Brand

Im Dezember 1905 musste die Firma einen Rückschlag hinnehmen, als ein Großbrand, verursacht durch eine Explosion von Mehlstaub, die Mühle nahezu komplett zerstörte. Mit Ausnahme des Silos waren alle Gebäude bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Doch der Verlust sollte nicht lange währen, den kaum ein Jahr später war das Gebäude erneut nach einem Entwurf Adolf Lipps wieder aufgebaut und der Betrieb mit einem modernen Maschinenpark und einer erweiterten Produktpalette wieder aufgenommen. Der Neustart glückte, das Unternehmen erholte sich rasch und der Erfolg der Walzmühle wurde über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Über Jahre besuchten Ingenieurverbände und Fachverbände aus verschiedenen Ländern das Unternehmen, um sich über die Mühle zu informieren. Aus architektonischer Sicht war der neue monumental wirkende Industriebau aber nicht nur funktional angelegt, denn Lipps hatte zum Rhein hin eine großzügige Fassade im Jugendstil entworfen, um die überregionale Bedeutung der Mühle optisch hervorzuheben. Damit war auch ein industrielles Gegenstück zum auf der anderen Rheinseite gelegenen Mannheimer Schloss entstanden, das vor allem die Bedeutung der Industrie für das junge Ludwigshafen und seine Entwicklung symbolisierte – ein Zeichen der Zeit.

Stilllegung nach 100 Jahren

Die Walzmühle überstand bis Mitte des 20. Jahrhundert mehrere schwierige Phasen. Zwei Weltkriege erschwerten die Produktion, denn Getreideimporte aus Übersee blieben aus. Zudem schädigten Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg die Mühle, der Turmbau, in dem sich ursprünglich ein Wasserhochbehälter befand, wurde zerstört. Ende der 1920er Jahre brachen für das Unternehmen wirtschaftlich prekäre Zeiten an, als der Börsenkrach mit der darauffolgenden Weltwirtschaftskrise beinahe die Schließung der Mühle erzwungen hätte, was nur durch den Einsatz der Gesellschafter abgewendet werden konnte. 1961 wurden Teile der Mühle stillgelegt, einzig die Herstellung von Grieß wurde noch weiter betrieben. Die endgültige Stilllegung der Walzmühle erfolgt dann nach 100 Jahren ihrer Inbetriebnahme im Juni 1985. Der Größte Teil des Mühlenkomplexes wurde abgerissen und durch Neubauten ersetzt.
Heute sind noch Teile der eindrucksvollen Jugendstilfassade und die ehemalige Direktorenvilla, in der sich das Ernst-Block-Zentrum befindet, erhalten und zeugen nach wie vor von einem ehemals für Ludwigshafen bedeutenden Unternehmen.