Zwei Jahre PLUS-Gesundheitsinitiative Hepatitis C – Deutliche Verbesserung in der Gesundheits- und psychosozialen Versorgung von Menschen mit Drogengebrauch

Die Kooperationspartner der PLUS-Gesundheitsinitiative Hepatitis C in Ludwigshafen arbeiten seit zwei Jahren gemeinsam daran, die Versorgungssituation von Menschen, die Drogen konsumieren oder eine Substitutionstherapie erhalten, in Ludwigshafen zu verbessern. Ein Ziel ist es, langfristig die Häufigkeit der Infektionen mit dem Hepatitis-C-Virus in Ludwigshafen zu reduzieren. Nach zwei Jahren verzeichnen die Partner deutliche Erfolge. "Im Rahmen der Initiative haben wir uns effektiv vernetzt und vielfältige Angebote geschaffen, die einerseits Betroffene und andererseits die Ärzteschaft unterstützen", sagt Beate Steeg, Dezernentin für Soziales und Integration der Stadt Ludwigshafen, in deren Ressort auch das Thema Gesundheit fällt.

Hepatitis C – Eine tückische Erkrankung, die bis 2030 eliminiert werden soll

Aus medizinischer Sicht ist die Elimination von Hepatitis C keine Utopie mehr. Die neue Wirkstoffgeneration der sogenannten "Direct-acting antivirals" (DAAs) heilt die Infektion in fast allen Fällen in acht bis zwölf Wochen. Sowohl die Weltgesundheitsorganisation als auch die Bundesregierung haben in den vergangenen Jahren Strategien vorgelegt, um die Erkrankung bis 2030 ein für alle Mal zu eliminieren. "Das ambitionierte Ziel, Hepatitis C bis 2030 zu eliminieren, wollen wir auf kommunaler Ebene mit unserer Gesundheitsinitiative gerne unterstützen", sagt Beate Steeg. "Wir haben damit eine Vorreiterrolle eingenommen und zeigen, was im Gesundheitswesen durch ressort-übergreifende Kooperationen alles möglich ist." Philipp Huwe, Direktor Politik und Versorgung von AbbVie Deutschland, ergänzt: "Wir engagieren uns auch über innovative Therapien hinaus für die Gesundheitsversorgung und sehen uns bei PLUS als Mittler und Impulsgeber. Der Erfolg, den die PLUS-Initiative vor Ort an unserem Standort Ludwigshafen verzeichnen konnte, freut uns wirklich sehr."

Suchtkranke: erst stabil, dann offen für Gesundheitsaspekte

Hepatitis C schädigt die Leber still, heißt es oft. Denn die unspezifischen Symptome der Lebererkrankung sind meist grippeähnlich, die wenigsten Betroffenen bringen sie mit der Erkrankung in Verbindung. Unbehandelt kann eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) zu schweren Leberschädigungen bis hin zum Tod führen. Die Risikogruppe für Infektionen mit HCV ist klar definierbar: Vier von fünf Neuinfektionen sind auf intravenösen Drogenkonsum zurückzuführen (Quelle: Robert Koch-Institut, 19. Juli 2018). Suchtkranke stehen in puncto Gesundheitsversorgung jedoch vor großen Hürden und Herausforderungen, da meist andere Problemlagen vorrangig gelöst werden müssen. "Menschen mit Suchterkrankungen haben neben der Sucht meist vielfältige andere Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Schulden, Bedrohung von Obdachlosigkeit
oder weitere psychische Erkrankungen", weiß Hans Sahoraj,

Abteilungsleiter der Drogenhilfe der Stadt Ludwigshafen. "Sie brauchen ein Dach über dem Kopf, eine Tagesstruktur und ein geregeltes Einkommen. Erst dann sind sie bereit, sich über ihre Gesundheit Gedanken zu machen."
An dieser Stelle spielt das Jobcenter Vorderpfalz-Ludwigshafen, mit dem die städtische Drogenhilfe im Rahmen der PLUS-Initiative einen Kooperationsvertrag abgeschlossen hat, eine entscheidende Rolle. "Wir bieten stabil substituierten Klientinnen und Klienten passgenaue Angebote in Abstimmung mit der Drogenhilfe und der Abteilung Beschäftigungsförderung der Stadt Ludwigshafen durch unser neues Angebot der flexiblen Arbeitsgelegenheiten", sagt die Geschäftsführerin des Jobcenters Vorderpfalz-Ludwigshafen, Anja Hölscher. Bei diesen so genannten Flex AGHs arbeiten die suchtkranken Menschen zunächst an nur drei Tagen die Woche für etwa drei Stunden. Gleichzeitig erhalten sie eine intensive psychosoziale Betreuung durch die städtische Drogenhilfe. Seit Anfang 2018 haben acht Menschen an diesem Programm teilgenommen.

Hürden in der Gesundheitsversorgung abgebaut

Neben Angeboten zur Stabilisierung der Suchtkranken arbeiten die Kooperationspartner auch seit zwei Jahren daran, Hürden bei der Gesundheitsversorgung abzubauen. Ein Dokumentationsbogen sowie ein Diagnostikleitfaden, die in Zusammenarbeit mit der Krankenkasse IKK Südwest, dem Klinikum Ludwigshafen, AbbVie und Substitutionspraxen entwickelt wurden, sollen niedergelassene Ärzte bei
der Diagnose und Therapie von Hepatitis C unterstützen. "Wir freuen uns darüber, im regionalen Dialognetzwerk die neue wirksame Therapiemöglichkeit für Patienten und Ärzte verbindlicher und auch wirtschaftlich zielgerichteter gestalten zu können", sagt Roland Engehausen, Vorstand der IKK Südwest zu seiner Motivation. Die Leitfäden geben Ärztinnen und Ärzten eine Hilfestellung für die Diagnose und Behandlung von Hepatitis C. Zusätzlich wurde durch die Kooperation eine Beratungsvernetzung zur Leberambulanz des städtischen Klinikums geknüpft. So kann eine Zweitmeinung eingeholt oder bei einem besonders schwierigen Fall die betreffende Person problemlos überwiesen werden. "Das alles schafft Sicherheit im Behandlungsalltag", sagt Dr. Roger Hladik, Hausarzt mit Substitutionserfahrung. "Bei der Substitution ist die Wahrscheinlichkeit, einen Hepatitis-C-Patienten oder eine -Patientin anzutreffen, sehr hoch. In den vergangenen zwei Jahren konnten viele in Ludwigshafen therapiert werden. Bereits jetzt konnten wir die Prävalenz, also die Häufigkeit der Erkrankung, unter den substituierten Klienten der Drogenhilfe von 60 Prozent auf etwa 34 Prozent senken. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne mit Blick auf das Eliminierungsziel. Wir wollen in den kommenden Jahren alle HCV-Infizierte in Ludwigshafen behandeln." Ein weiterer medizinischer Erfolg im Rahmen des PLUS-Projektes: Eine Ludwigshafener Substitutionsmedizinerin behandelte bereits alle Hepatitis-C-Patientinnen und -Patienten in ihrer Praxis und schaffte es somit, diese völlig HCV-frei zu machen. Die PLUS-Gesundheitsinitiative Hepatitis C gibt die
 in Ludwigshafen entwickelten Dokumentationsbögen und Diagnostikleitfaden wie auch das erfolgreiche Vernetzungsbeispiel gerne als Vorbild für Arztpraxen und andere Kommunen in ganz Deutschland weiter. Die im Gesundheitswesen verankerten Kooperationspartner sorgen für deren Verbreitung.

Zukunftsvision

Gemeinsam wollen die Kooperationspartner in Ludwigshafen die Unterstützung für Betroffene weiter ausbauen. "Der Schlüssel liegt auch künftig in der engen Zusammenarbeit", betont Beate Steeg. "Einige Angebote gab es auch schon vor PLUS, doch erst durch den gut verzahnten Austausch konnten wir weitere Lücken identifizieren und diese bereits teilweise schließen."
So möchte das Jobcenter Vorderpfalz-Ludwigshafen in Zukunft – zusammen mit der städtischen Drogenhilfe und dem Ludwigshafener Suchthilfenetzwerk – einen stärkeren Fokus auf den Gesundheitsaspekt "Sucht und psychische Erkrankungen" richten. "Diese einzigartige Kooperation zwischen Drogenhilfe und Jobcenter kann noch viele Synergieeffekte zum Wohle von suchtkranken Menschen, die nicht selten arbeitslos sind, hervorbringen", ist sich Beigeordnete Beate Steeg sicher.
Mit einer weiteren Versorgungslücke hat sich der Arbeitskreis "Substitution und Psychotherapie" Ende 2017 beschäftigt: Viele opiatabhängige Menschen haben häufig noch mindestens eine weitere psychische Störung. Doch nur wenige sind in psychotherapeutischer Behandlung. Die Gründe hierfür wurden beleuchtet und festgestellt, dass diese Menschen eine andere, niedrigschwellige Form der psychotherapeutischen Versorgung bräuchten; zumindest vorgelagert zur hochschwelligen Psychotherapie. Die Gruppe entwickelte hierfür den Begriff der "Niedrigschwelligen psychosozialen Kurzintervention", kurz NPKI genannt. Von Seiten der kooperierenden Krankenkassen kam die Empfehlung, ein solches Projekt beim Innovationsfonds des Bundes anzumelden. "Das haben wir, mit Unterstützung von AbbVie und der IKK Südwest, gerade jetzt im März auch getan. Wir können gespannt sein, ob unser Versorgungsprojekt ausgewählt wird und als Pilot an den Start gehen kann. Falls ja und seine Effektivität positiv evaluiert wird, könnte die NPKI ‚made in LU‘ in vielleicht fünf Jahren schon als Regelleistung der Krankenkassen in ganz Deutschland angeboten werden", wirft Beigeordnete Steeg einen Blick in die Zukunft.

Über die PLUS-Gesundheitsinitiative Hepatitis C

Die PLUS-Gesundheitsinitiative Hepatitis C Ludwigshafen gründete sich offiziell am 5. April 2017 mit einer Auftaktveranstaltung. Die Bündnispartner in Ludwigshafen sind die Stadtverwaltung Ludwigshafen am Rhein, AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, drei Substitutionspraxen, das Klinikum der Stadt Ludwigshafen am Rhein gGmbH, die Krankenkassen IKK Südwest und AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, die GO-LU Gesundheitsorganisation Ludwigshafen e.G., das Jobcenter Vorderpfalz-Ludwigshafen, LuNoMed e.V., die AIDS-Hilfe Arbeitskreis Ludwigshafen e.V., das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit
und Demographie Rheinland-Pfalz sowie die Ökumenische Fördergemeinschaft Ludwigshafen GmbH mit dem Projekt "Street Docs". Schirmherrin der Initiative ist die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler.

Drei- bis viermal im Jahr finden moderierte Runde Tische zur interdisziplinären PLUS-Initiative statt. Dabei werden aktuelle Ergebnisse aus Arbeitskreisen, Veranstaltungen, Abfragen und Evaluationen wie auch konkrete Produkte und Projekte vorgestellt und diskutiert. Zudem haben die Bündnispartner im Jahr 2018 eine Fortbildungsreihe aufgelegt, in der viele Mitarbeitende von Drogenhilfe, Jobcenter und Substitutionspraxen zu den Themen Hepatitis C, psychischen Erkrankungen, Grundwissen Sucht und rechtlichen Hintergründen geschult wurden mit dem Ziel einer engeren Vernetzung, Wissensaufbau und Sensibilisierung im Umgang mit suchterkrankten Menschen.

Der Caritasverband für Stuttgart e.V., die Deutsche Leberhilfe e.V. und das forschende BioPharma-Unternehmen AbbVie gründeten das erste Aktionsbündnis PLUS im Jahr 2015 in Stuttgart als Pilotprojekt. Ludwigshafen kam als zweiter Standort für eine PLUS-Initiative zwei Jahre später hinzu. Inzwischen gibt es die PLUS-Initiative auch in Hamburg, Kassel, Bochum und Wiesbaden – in weiteren Städten stehen potenzielle Mitglieder für weitere PLUS-Initiativen in den Startlöchern.