Zwischenlösungen zur Unterbringung von Geflüchteten notwendig – Stadtverwaltung will Flächen in der Walzmühle anmieten

Die Unterbringung von Geflüchteten und Asylsuchenden stellt die Stadt Ludwigshafen, wie andere Kommunen in Deutschland, vor extreme Herausforderungen. Alle Standorte mit Unterkünften sind belegt, seit März diesen Jahres nutzt die Stadt Ludwigshafen auch ihre Notunterkünfte (Hallen) in der Wattstraße und in der Wollstraße zur Unterbringung der Menschen, die ihr vom Land zugewiesen werden. Auch die drei Notunterkünfte werden voraussichtlich bis Ende des Jahres voll belegt sein. Die Stadtverwaltung benötigt daher neue Unterbringungs-möglichkeiten. Der Stadtvorstand setzt dabei auf ein dreistufiges Verfahren: Eine kurzfristig verfügbare Notlösung in einem bestehenden Gebäude; kurzfristig zu errichtende Unterkünfte in Leichtbauweise, die ebenfalls Zwischenlösungen sein sollen, sowie weitere langfristige Standorte. Bei Letzteren ist das Ziel, neue Gebäude im Laufe des Jahres 2024 und in den Folgejahren zu errichten.

"Auf keinen Fall wollen wir Schulsport- oder Turnhallen belegen. Wir haben in der Corona-Zeit bitter erleben müssen, wie ausgerechnet Kinder und Jugendliche, aber auch der Breitensport unter den vielen Einschränkungen zu leiden hatten. Daher kommt eine solche Lösung für uns nicht in Frage. Ebenso wenig wollen wir auf Gemeinschafts- oder Veranstaltungshäuser zurückgreifen. Gerade die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt so wichtigen Vereine planen hier ihre Veranstaltungen. Man kann nicht einerseits sagen, wie bedeutend Vereine sind, und ihnen andererseits die Orte ihres Wirkens wegnehmen. Ein funktionierendes gesellschaftliches Leben mit sportlichen und kulturellen Veranstaltungen ist immens wichtig für unsere Stadtgesellschaft. Auch Flächen, die für den Bau von Kitas vorgesehen sind, schließt die Stadt aus", erklärt Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck. Steinruck verwies darauf, dass die Verwaltung in den vergangenen Wochen mit Hochdruck an der Prüfung möglicher Optionen für die Unterbringung von Geflüchteten gearbeitet habe.

Angesichts des hohen Belegungsdrucks, auf den die Verwaltung bereits mehrfach hingewiesen hat, will die Stadt daher als kurzfristig realisierbare Zwischenlösung auf die Flächen eines ehemaligen Supermarktes in der Walzmühle zurückgreifen. Sie wird deswegen den Stadtrat in seiner nichtöffentlichen Sitzung am heutigen Montag um Zustimmung zum Mietvertrag für diese Räumlichkeiten bitten. Durch den vom Eigentümer geplanten Umbau des zentral gelegenen Einkaufszentrums stehen die Räumlichkeiten übergangsweise zur Verfügung.

Die Stadtverwaltung hatte bereits früher den Standort Walzmühle genutzt: Dort befand sich während der Corona-Pandemie im Erdgeschoß das Impfzentrum. Die anzumietenden Flächen in der Walzmühle sollen wie die bereits bestehenden Notunterkünfte ausgestattet werden und Platz für bis zu 400 Personen bieten. Als Unterkunft soll die Walzmühle voraussichtlich ab Mitte oder Ende Dezember an den Start gehen. Es ist vorgesehen, wie an den anderen größeren Standorten auch, die Asylunterkunft gemeinsam mit einem Betreiber und einem Sicherheitsdienst zu führen.

Sollte der Stadtrat dem Abschluss des Mietvertrages zustimmen, plant die Stadtverwaltung außerdem für Anfang Dezember eine Informationsveranstaltung für Anwohner*innen rund um den neuen Standort Walzmühle. Auch soll eine feste Anlaufstelle für mögliche Anliegen aus der Nachbarschaft zur Verfügung stehen. Die Nutzung der Walzmühle als Notunterkunft ist bis Sommer 2024 geplant. Spätestens bis Ende September 2024 müssen die Räume an den Eigentümer zurückgehen.

Prüfung von mittel- und langfristigen Standortoptionen
Darüber hinaus prüft die Stadtverwaltung derzeit, welche Flächen im Stadtgebiet sowohl für mittelfristige Containerlösungen als auch für langfristige Standorte in Frage kommen könnten. Diese Flächen müssen entsprechende Voraussetzungen bieten, für die vorübergehende Lösungen mit Zelten oder Containern werden beispielsweise ein fester Untergrund und bereits vorhandene Strom- und Wasseranschlüsse benötigt. Die Stadtverwaltung wird fortlaufend über die Entwicklungen informieren und neue Standorte bekanntgeben, sobald deren Realisierbarkeit geklärt ist. Zu den Planungsgrundsätzen der Stadtverwaltung zählt ein offener und stetiger Dialog mit der Bürgerschaft, insbesondere mit den Anlieger*innen einer neuen Unterkunft. Dazu gehört neben Informationsveranstaltungen die zentrale Anlaufstelle für Anliegen der Anwohner*innen, die für alle Standorte zur Verfügung stehen wird.

"Wir haben uns die Entscheidung nicht leichtgemacht. Dennoch sehen wir angesichts der Dringlichkeit keine andere Option, als unseren heutigen Vorschlag, die Flächen in der Walzmühle anzumieten. Ebenfalls kurzfristig machbar wäre ansonsten nur die Belegung der Eberthalle gewesen. Wir wissen um die Bedeutung der Halle für den Sport und für unsere Stadt insgesamt und wie sehr die Herzen der Fans an ihren ‚Eulen‘ hängen. Auch weitere, bereits langfristig geplante Veranstaltungen sollen in der Eberthalle stattfinden können", erläutert Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck.

"Ich habe bereits mehrfach und öffentlich sehr deutlich gesagt: Wir stehen hier mit dem Rücken zur Wand! Es ist uns wichtig, dieses Signal gerade heute, am Tag des Gipfeltreffens der Länder mit dem Bundeskanzler, erneut zu senden. Wir fordern von Bund und Land, die Kommunen bei der Bewältigung dieser Aufgabe nicht alleine zu lassen. Es braucht eine Zuweisungspolitik, die uns und unsere Stadtgesellschaft nicht permanent überfordert, sondern auf die jeweiligen sozialen Strukturen vor Ort Rücksicht nimmt, und wir brauchen vor allem eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen zur Unterbringung von Geflüchteten", sagt Sozialdezernentin Beate Steeg.

Rückgang der Zuweisungen nicht erkennbar – angespannter Wohnungsmarkt verschärft Probleme
Bis Mitte November werden der Stadt Ludwigshafen 765 Asylsuchende und Geflüchtete zugewiesen. Dies sind mehr als doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2021. Weitere Zuweisungen bis Ende des Jahres werden folgen. Im vergangenen Jahr wurden der Stadt 325 Menschen zugewiesen, hinzu kamen noch mehr als 800 Geflüchtete aus der Ukraine. Die Stadt Ludwigshafen geht aufgrund von Prognosen des Landes Rheinland-Pfalz davon aus, dass auch im Jahr 2024 die Zuweisungszahlen nicht zurückgehen werden. Die Herkunftsländer der Menschen sind vor allem Syrien, Afghanistan und die Ukraine.

Der angespannte Wohnungsmarkt, insbesondere im günstigen Segment, spielt ebenfalls eine große Rolle, da die Mehrheit der von der Stadt untergebrachten Menschen bereits eine Aufenthaltserlaubnis hat, jedoch in der Regel eine längere Zeit in einer städtischen Unterkunft oder Wohnung leben muss, da die Menschen nur schwer auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung finden. "Auch hier bewegen wir uns auf einem schmalen Grat: Es gibt diesen hohen Druck auf den Wohnungsmarkt mit der Folge, dass Menschen, die hier anerkanntermaßen bleiben dürfen und ihrer Arbeit nachgehen, trotzdem in unseren Unterkünften bleiben, weil sie sonst auf der Straße säßen. Damit wächst wiederum der Druck durch die steigenden Belegungszahlen. Wir sind dabei, bezahlbaren Wohnraum allenthalben zu schaffen, aber wir brauchen auch dafür Zeit und die finanziellen und personellen Ressourcen", verdeutlicht Sozialdezernentin Steeg. Insgesamt sind mehr als 1.600 Personen derzeit von der Abteilung Asyl in Unterkünften und Wohnungen untergebracht.

"Essentiell für die Stadtgesellschaft und die Akzeptanz von Politik vor Ort wird es sein, dass die Herausforderungen, denen wir uns bei der Unterbringung von Geflüchteten gegenübersehen, nicht die Haushaltskrise der Stadt verschärfen. Wir sind in intensiven Gesprächen mit dem Land, weil wir die Aufwendungen nicht im Rahmen der Haushaltskonsolidierung zusätzlich erbringen können", bekräftigt OB Steinruck.