Die heutige Berufsbildende Schule Wirtschaft I in Ludwigshafen-Süd ist eines der stadtbildprägenden Gebäude Markus Sternliebs. Zunächst als Volksschule genutzt, wurde sie nach dem Zweiten Weltkrieg Sitz einer der Ludwigshafener Berufsschulen. Im Turm befand sich einst eine Sternwarte und 1915 wurde hier ein prominenter Gast empfangen.

Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Ludwigshafen Anfang des 20. Jahrhunderts und der damit einhergehenden Bevölkerungsentwicklung wuchs auch die Anzahl schulpflichtiger Kinder, denen die Stadtverwaltung Schulräume zur Verfügung stellen musste. 1912 wurde daher vom Gemeinderat und der Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Friedrich Krafft der Bau einer neuen Volksschule beschlossen, als Standort wählte man in Süd ein Feld an der Mundenheimer Straße. Damit entstand eine weitere Schule für den wachsenden Stadtteil.

Prägend für das Stadtbild

Die Bauzeit von August 1913 bis Mai 1914 für die damals so genannte Rheinschule war erstaunlich kurz. Für die Planung war der gerade 1911 zum Stadtbaumeister ernannte Markus Sternlieb verantwortlich, der zu diesem Zeitpunkt alle städtischen Hochbauprojekte übernommen hatte, darunter auch Planung und Bau des Stadthaus Nord. Sein Vorgänger Josef Brunhart hatte für die Rheinschule bereits einen vom Jugendstil geprägten Entwurf vorgestellt, der aber aus technischen Gründen nicht die Zustimmung der vorgesetzten Staatsbehörde fand. Sternlieb erarbeitete einen alternativen Plan und legte dem Rat ein Modell vor, das eher an neobarocken Formen orientiert war. Auffällig ist bis heute der Turm an der Schnittstelle von Süd- und Westflügel. Das Gebäude war so angelegt, dass es an die viergeschossigen Nachbargebäude anschließen konnte und zudem den Anblick der Fabrik der Gebrüder Sulzer hinter der Schule zum Rheinufer hin verdeckte. In dem Gebäude, das für eine Summe von rund 785.000 Mark gebaut wurde, kamen immerhin in 32 Schulsälen 1.600 Schulkinder unter. Zudem bot die von der Mundenheimer Straße wegen des hohen Verkehrsaufkommens zurückgesetzte Lage genug Platz, um für Mädchen und Jungen getrennte Schulhöfe einzurichten, wie dies damals noch üblich war.

Die erste Volkssternwarte der Stadt

Der Turm mit Kuppel war von Sternlieb zunächst nur als eine ästhetische Ergänzung ohne besondere Funktion erdacht worden. Zumindest, bis kurz vor Vollendung des Baus im Mai 1914 der Ludwigshafener Unternehmer Friedrich Lux Sternlieb den Vorschlag unterbreitete, in der Kuppel eine Sternwarte einzurichten. Lux hatte zunächst den Plan, die Sternwarte auf der Parkinsel zu errichten, wovon er jedoch aufgrund der zu erwartenden hohen Kosten Abstand nahm. Sternlieb war für diese Idee leicht zu gewinnen. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs kam die Bautätigkeit in Ludwigshafen fast zum Erliegen, die Einrichtung der Sternwarte musste verschoben werden, bevor sie offiziell am 22. Oktober 1920 eröffnet werden konnte. Die Sternwarte entsprach dem Zeitgeist, versuchte man doch Bildung nicht nur auf den schulischen Bereich zu vermitteln, sondern auch für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen, etwa in Einrichtungen wie einer zunächst bescheidenen städtischen Bibliothek oder mit dem Angebot von Volkshochschulkursen. Zudem war mit Einführung geregelter Arbeitszeiten, tariflichen Urlaubsregelungen die Freizeitgestaltung der arbeitenden Bevölkerung ein zunehmendes Thema. Das Bildungsbedürfnis stieg, eine Demokratisierung von Bildung wurde erkennbar, die nunmehr nicht nur gutverdienenden Oberschichten zur Verfügung standen. Die Sternwarte blieb bis 1943 in Betrieb, wurde jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr instandgesetzt.

Eine Königin kommt zu Besuch

Im Oktober 1915 wurde in der Rheinschule ein prominenter Gast empfangen: Marie Therese, die letzte Königin von Bayern, besuchte über ein Jahr nach Kriegsbeginn die „Zentral-Nähstuben für Kriegszwecke“ und wurde in einem festlich geschmückten Gebäude empfangen. Die Zentral-Nähstuben waren eine karitative Einrichtung, die hauptsächlich Kleidung für militärische Zwecke herstellte, um Soldaten im Kriegseinsatz zu versorgen. Neben Staat und Rotem Kreuz unterstützte die Organisation dadurch bedürftige Familien, die Angehörige im Kriegsdienst oftmals nicht ausreichend selbst versorgen konnten und brachte durch ein wachsendes Volumen an Aufträgen zugleich
arbeitssuchende Frauen in Lohn und Brot. Bombenangriffe auf die Stadt führten im Zweiten Weltkrieg zu einer Verringerung des Wohnraums, in Ludwigshafen ansässige Firmen verloren Unterkünfte für in- und ausländische Arbeitskräfte, darunter auch Zwangsarbeiter. Für die Unterbringung sah sich die Stadtverwaltung daher gezwungen, auch Schulgebäude in Anspruch zu nehmen. Unter anderem kamen daher in der Rheinschule im August 1944 französische Zwangsarbeiter im Gebäude unter.

Von der Volks- zur Berufsschule

Nachdem 1945 Ludwigshafen besetzt worden war, erteilte die amerikanische Besatzungsmacht etwa ein Jahr später die Genehmigung, den Unterricht an den Berufsschulen wieder aufzunehmen. Kriegsschäden an der Rheinschule wurden beseitigt, so dass der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden konnte. Die Volksschule war jedoch Vergangenheit, eine Berufsschule wurde im Gebäude untergebracht und 1950 vom damaligen Oberbürgermeister Valentin Bauer eingeweiht. 1968 wurden dann umfangreiche Renovierungsarbeiten eingeleitet, unter anderem wurden die Lehrsäle neu ausgestattet und die Lehrmittelsammlung modernisiert. Im Juni 2014 konnte die heutige Berufsbildende Schule Wirtschaft I das Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen feiern. Wer aufmerksam das Schulgelände betritt, wird heute ein Denkmal zu Ehren Sternliebs auf dem Schulhof vorfinden.