Es ist ein lokalgeschichtliches Zeugnis aus der Epoche der Antike: Auf Ludwigshafener Stadtgebiet befinden sich die Reste zweier römischer Kastelle, einer zivilen Siedlung und eines Gräberfeldes. Die Vorderpfalz war über Jahrhunderte Teil des Imperium Romanum, seine Außengrenze verlief einst auch in der Nähe Rheingönheims.

Unter dem ersten römischen Kaiser Augustus, Großneffe und Adoptivsohn Julius Caesars, fiel die heutige Pfalz um 13 bis 12 vor Christus durch Feldzüge unter römische Herrschaft. Die neu gewonnenen Gebiete standen unter militärischer Verwaltung und die nördliche Außengrenze des römischen Reiches musste einerseits gegen einen jederzeit drohenden Rückschlag der Germanen geschützt werden, die der römische Historiker Tacitus als wildes und freiheitsliebendes Volk beschrieb. Andererseits war das Grenzgebiet Ausgangspunkt für weitere Eroberungen der rechtsrheinisch liegenden Gebiete. Zu diesem Zweck errichteten die Römer militärische Stützpunkte entlang des Rheins, und um diese zu verbinden, wurde die sogenannte Römerstraße angelegt, die bis nach Italien reichte und auch durch das Gebiet Ludwigshafen führte.

Schutz vor den wilden Germanen

Das erste und größere Kastell bei Rheingönheim entstand in der Zeit des vierten römischen Kaisers Claudius um 40 nach Christus. Der Standort war nicht zufällig ausgewählt worden, denn so konnte die damals noch gegenüberliegende Mündung des Neckars abgesichert werden. Bis heute ist relativ wenig über dieses erste Kastell bekannt, die Ausmaße betrugen wahrscheinlich rund 400 mal 600 Meter. Neuere Grabungen brachten das östliche Haupttor und einen Zwischenturm zutage, weitere Funde lassen die Rekonstruktion von zwei Barackenblöcken zu. Dieses erste größere Lager scheint jedoch nicht vollendet worden zu sein. Stattdessen wurde ein kleineres Lager mit nur einem Fünftel der Fläche für eine wesentlich kleinere Zahl an Soldaten errichtet, das jedoch mehr Spuren hinterließ. Hier wurden Truppen stationiert, die aus verbündeten Völkern der römischen Armee rekrutiert wurden. Diese sogenannten Auxiliartruppen (aus dem Lateinischen von „auxilium“ = Hilfe) waren zwar ein Bestandteil der römischen Armee, die Soldaten hatten jedoch kein römisches Bürgerrecht. Dieses erhielten sie erst nach durchschnittlich 25 Jahren – sofern sie den Dienst überlebt hatten. Im Umfeld des Lagers entstanden zusätzlich zwei zivile Siedlungen, wo sich Familien der Soldaten aber auch Handwerker und Geschäftsleute aufhielten. Ebenso wurde ein Gräberfeld entdeckt.

Aufstände leiten das Ende ein

Das Ende des Kastells wurde durch den Suizid Kaiser Neros 68 nach Christus eingeleitet: Die vorübergehende politische Destabilisierung sorgte für Unruhen im römischen Reich, entlang des Rheins entflammten ausgehend vom Bataveraufstand (eine Revolte germanischer und keltischer Stämme) 69 nach Christus Revolten gegen die römischen Herrscher. Davon war auch die Vorderpfalz und damit die Lager und zivilen Siedlungen bei Rheingönheim betroffen. Brandspuren und Skelette von Gefallenen lassen eine gewaltsame Zerstörung des Kastells und der zugehörigen Zivilsiedlung erahnen. Der Wiederaufbau hatte sich schließlich erübrigt, denn die Römer expandierten und weiteten ihr Herrschaftsgebiet rechtsrheinisch aus. Der Neckar-Odenwald-Limes war nun die neue Außengrenze des Römischen Reichs.

Grabungen in drei Phasen

Erste Hinweise, dass es im Ludwigshafener Stadtgebiet einst eine römische Besiedlung gegeben hatte, ergaben einzelne Funde in den Jahren 1872 und 1886, darunter jener eines Skeletts mit Kurzschwert und Bronzeplättchen eines Militärgürtels, wahrscheinlich einem Offizier zugehörig. Zu dieser Zeit wurden jedoch noch keine systematischen Grabungen eingeleitet. Dies sollte erstmals zwischen 1912 und 1914 erfolgen. Im Areal des Kastells wurde bereits seit einiger Zeit Kies abgebaut, wobei archäologisch bedeutsame Funde zutage gefördert wurden, die fachkundige Grabungen zur Folge hatten. Die zweite Grabungsphase wurde von dem Pfälzer Archäologen Otto Roller geleitet und fand zwischen 1961 und 1962 statt. Sie brachte Teile des kleineren Kastells zum Vorschein. Anlässlich der Erneuerung des Rheinhauptdeiches wurde zwischen 2008 und 2010 eine dritte Grabungsphase eingeleitet und vor Beginn der Baumaßnahmen archäologische Untersuchungen vorgenommen. Dabei konnte durch gezielte Grabungen der Beleg für die Existenz des größeren und älteren Kastells erbracht werden. Bei der Rekonstruktion römischer Militärlager war hilfreich, dass sie in der Regel nach standardisierten Vorgaben gebaut wurden, wodurch die Entdeckung von Teilen Rückschlüsse auf das Gesamtbild erlauben. Um gezielt graben zu können, helfen auch Luftbildaufnahmen: Diese ermöglichen eine Feststellung von sogenannten Bewuchsmerkmalen, was bedeutet, dass der unterschiedliche Wuchs und Reifegrad bei Pflanzen Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des Bodens erlaubt. Auch Geländebegehungen brachten weitere Informationen über das Umfeld.