Das heutige Rathaus Ruchheims, auch „Schlösschen“ genannt, wurde vor fast 300 Jahren erbaut und hatte in seiner wechselvollen Geschichte verschiedene Funktionen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden, war es zu- nächst ein Herrschaftsanwesen, das später als reiner Wirtschaftshof genutzt wurde. Heute ist das grundlegend restaurierte Gebäude Sitz der Ortsvorsteherin.

Besucherinnen und Besucher der Schlossstraße 1 können nur noch erahnen, welche Dimensionen das Anwesen des sogenannten Schlösschens in Ruchheim ursprünglich hatte. Heute sind nur noch das Wohnhaus und die Reste der einst das gesamte Grundstück umgebenden Schutzmauer erhalten geblieben, der angegliederte landwirtschaftliche Betrieb mit mehreren Höfen wurde abgerissen. Wer den zweigeschossigen, fast quadratischen Fachwerkbau betrachtet, dem wird der charakteristische achtseitige Dachreiterturm nicht entgehen. Und dieser ist es, der die Geschichte des Ursprungs des Ruchheimer Wahrzeichens erzählen kann. Ursprünglich seit dem 13. Jahrhundert auf Zisterzienser- und Bettelordenskirchen gebaut, waren sie ab dem späten Mittelalter auch auf profanen – also weltlichen – Herrenhäusern zu sehen, die damit architektonisch ihren Herrschaftsanspruch symbolisierten. Wer wissen will, wie es im Fall des Ruchheimer Rathauses dazu kam, muss in das 18. Jahrhundert zurückblicken.

Ein Schloss für den kurpfälzischen Hofkanzler

Ruchheim wechselte mehrmals den Besitzer. Um 1700 war es Kaspar von Russicon aus Basel, der das völlige Eigentumsrecht von der Familie der Leininger erwarb. Zu dieser Zeit wurde das Dorf, das in den Jahren des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1688 bis 1697) bis auf die Kirche stark zerstört worden war, wieder aufgebaut. Um 1721 – die vermutete Entstehungszeit des Schlosses – vererbte von Russicon Ruchheim an seinen Neffen, der den Wiederaufbau fortsetzte. Neben Häusern ließ er Gärten, Scheunen, Ställe und eben auch das Schloss bauen, an dessen Stelle hatte sich vor dem Krieg ein Herren- und Verwaltungshaus befunden. Er konnte das Dorf wirtschaftlich nutzbar machen und Ruchheim zu einem einträglichen Besitz gestalten. Ursprünglich war das Wahrzeichen Ruchheimes als Wasserschloss gebaut worden, das zu Verteidigungszwecken von allen Seiten von einem noch bis 1885 erhalten Graben mit einer Breite von vier bis fünf Metern umgeben war, der bei Bedarf geflutet werden konnte - der Ernstfall trat laut Überlieferung jedoch nie ein. Hinter dem Graben befand sich zusätzlich eine Schutzmauer, deren Reste heute noch an der Südseite erhalten sind. Im Jahr 1737 erwarb der Konferenzrat und oberster Hofkanzler am kurpfälzischen Hof, Freiherr Jakob Tillmann von Hallberg, der Erbauer des Hallbergschen Schlosses in Fußgönheim, Ruchheim. Wie berichtet wird, war die Zeit der Herrschaft Hallbergs eine recht bewegte, Konflikte mit den Dorfbewohnern waren vorprogrammiert. Denn von Hallberg war Katholik, die Bewohner Fußgönheims und Ruchheims hingegen ausschließlich Protestanten. In Fußgönheim hatte es bereits Unruhen gegeben, da die Bewohner den Huldigungseid verweigerten, den der neue Herr mit Waffengewalt erzwingen wollte – eine Situation, die in massivem Widerstand mündete und die Bevölkerung gegen ihn aufbrachte. Hohe Steuern belasteten die Bauern, Dorfbewohner klagten über Frondienste (Arbeit im Dienste des Grundherrn), die ihnen kaum noch freie Zeit ließen.

Vom Herrensitz zur Gutsverwaltung

Das Ende der Herrschaft der Hallbergs kam Anfang des 19. Jahrhunderts, das Schlösschen wurde ein Gebäude zur Gutsverwaltung. 1815 wurde es versteigert und kam in den Besitz des Gutsbesitzers Wolf aus Wachenheim. Es wird berichtet, dass das Hofgut in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hauptsächlich Kartoffeln, Korn, Weizen, Gerste und Zuckerrüben anpflanzte. Die Kartoffeln wurden dabei bis zum ersten Weltkrieg oft zu Schnaps gebrannt, es gab eine hauseigene Brennerei. Die Arbeitsbedingungen waren hart, der Lohn mager, häufig wurden die Arbeiter mit Schnaps, dem sogenannten Branntweindeputat, abgegolten. Da dadurch der Alkoholismus befördert wurde – aus dem Dorfleben um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert wird berichtet, Wirtshausschlägereien seien durchaus an der Tagesordnung gewesen - wurden bereits vor dem Ersten Weltkrieg die Naturalien durch Geld abgelöst. Auf dem Hofgut arbeiteten Einwohner Ruchheims, zur Zeit der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre kamen auch Arbeiter aus der Umgebung hinzu, etwas aus Ludwigshafen oder Oggersheim. In der Zeit zwischen den Weltkriegen besaß das Hofgut rund 450 Morgen Land, die sich im Laufe der Zeit durch Verkauf und Versteigerungen reduzierten. Vor dem Ersten Weltkrieg wurde Mastvieh gezüchtet, später setzte man auf Milchwirtschaft.

Wahrzeichen und Sitz der Ortsvorsteherin

Der spätere Besitzer, Dr. Albert Bürklin, ließ das Gebäude 1909 von Grund auf renovieren, das ehemalige Schloss wurde zum Wohn- und Verwaltungssitz des Hofguts Bürklin-Wolf, bis schließlich 1964 die GEWOGE (das Wohnungsunternehmen der BASF) das Gebäude kaufte. Bis zu diesem Zeitpunkt galt das Hofgut als ein weit geschätzter Betrieb, der zugleich ein Lehrbetrieb war und das Leben in Ruchheim prägte. 1970 schließlich kaufte die Gemeinde von der GEWOGE das Schloss zurück. Der Hofgutbereich des Schlösschens wurde nach der Eingemeindung Ruchheims in die Stadt Ludwigshafen im Zuge umfassender Modernisierungsmaßnahmen abgerissen, das Gemeinschaftshaus entstand.