Moderne Architektur und Technik: Das alte Ludwigshafener Umspannwerk war Ende der 1920er Jahre ein Gebäude auf der Höhe der Zeit. Die Nachfrage nach Strom stieg und eine sichere Versorgung musste gewährleistet werden.

Der Stadtrat hatte sich die Entscheidung zum Bau des Werks nicht einfach gemacht, in erster Linie, weil die Finanzierung Schwierigkeiten bereitete. Dennoch musste diese Aufgabe bewältigt werden, denn das Gebot der Stunde war, die Stromversorgung der Stadt auf eine sichere Grundlage zu stellen. Der Stromabsatz stieg stetig an, Grund dafür war eine rasante Entwicklung auf dem Gebiet der Elektrotechnik. Industrie und Handwerk, die Elektrifizierung der Straßenbahn und die steigende Zahl an Haushalten erhöhten den Bedarf an Strom, im Zeitraum von 1908 bis 1910 war der innerstädtische Konsum angeblich um das Doppelte gestiegen. Die Verwaltung musste also handeln, der damalige Oberbürgermeister Ludwigshafens Christian Weiss betonte, das Projekt müsse verwirklicht werden, wenn „Unannehmlichkeiten bei der hiesigen Versorgung vermieden werden“ sollten. Der Plan wurde schließlich in diversen Ausschusssitzungen überarbeitet, Ergebnis war eine bescheidenere Variante, die sich an den finanziellen Möglichkeiten orientierte. Die Baukosten wurden schließlich auf 1.525.000 Mark beziffert und tatsächlich – aus heutiger Sicht eher ungewöhnlich – nicht überschritten. Genehmigt wurde der Bau vom Stadtrat in zwei Etappen: Im März 1927 gab dieser die Mittel für die technischen Bau des Rückgebäudes frei, im Juli 1928 dann für das zur Straße hin gelegene Gebäude.

Strom sicher verteilen

Der Zweck des Umspannwerks lag darin, die vom Kraftwerk zugelieferte hohe Spannung durch Transformatoren umzuspannen und mit einer niedrigeren Spannung je nach Bedarf in unterschiedliche Kanäle umzuleiten. Das neue Werk sollte im Zentrum des Belastungsschwerpunktes, also innerstädtisch, angesiedelt werden. Das für den Neubau ausgewählte Grundstück Schillerstraße (heute Berliner Straße)/Lutherstraße, ein Teil des alten Giulini-Geländes, war nicht besonders groß, doch wurde es geschickt genutzt. Die Planung besorgte der damalige Stadtbaurat Hans Graf. Architektonisch betrachtet wurde mit dem Monumentalbau auch symbolisch eine neue Ära der Versorgung mit Energie betont. Er demonstrierte durch eine moderne Gestaltung und den Einsatz solider Baustoffe Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Besonders markant war dabei die Fassade aus rotem Klinkerstein, ein Backstein, der bei besonders hohen Temperaturen gebrannt wird und dadurch widerstandsfähiger wird. Ästhetisch verband der Kubus mit seinen halbkreisförmigen Treppentürmen einerseits Elemente der sachlichen, funktionalen Bauhaus-Architektur, andererseits den Stil des Expressionismus – für letzteren waren Backsteinbauten typisch, auch das Einbeziehen von Reliefs, wovon es ein noch heute sichtbares Zeichen gibt. Der Hofeingang Lutherstraße ist nach wie vor verziert mit zwei Flachreliefs, die Elektrizität symbolisieren: links eine Frau mit Hammer und Blitz, rechts ein Mann mit einer Glühbirne und einem Zahnrad. Das Werk war in zwei Baugruppen unterteilt, die durch einen geräumigen Hof getrennt waren. Im hinteren, von der Straße abgewandten Teil war das eigentliche Umspannwerk mit den Transformatorenkammern und einem zentralen Kommandoraum untergebracht, entlang der Straßen befand sich der Vorderbau. In diesem befanden sich Werkstätten, Büros, zehn Wohnungen für Werksangehörige und Lagerräume. Für damalige Verhältnisse waren die Bedingungen für die Angestellten des Werks komfortabel, denn im Untergeschoß waren neben Umkleideräumen auch Bäder sowie Speise- und Aufenthaltsräume eingeplant. Besonderer Wert wurde auf die Ausgestaltung der Warte – auch Kommando- Zentrale genannt – gelegt. Der sieben Meter hohe Raum wurde von einer großen Glaskuppel überdacht, die weithin sichtbar war. In diesem Raum befanden sich sämtliche Mess- und Kontrollinstrumente, der Raum war gewissermaßen das „Gehirn“ des Werks. Hier saßen rund um die Uhr sogenannte Schalterwächter, die das reibungsfreie Funktionieren der Anlage zu kontrollieren hatten. Am 1. August 1927 wurde mit Aushub der Baugrube begonnen. Im April 1928 wurde das technische Gebäude beendet und die Inneneinrichtung aufgebaut. Noch im selben Jahr konnte im November die Anlage in Betrieb gehen. Das Vordergebäude war schließlich im Mai 1929 beendet.

Ein neues Stadtbild

Städtebaulich hatte das Umspannwerk eine exponierte Lage, denn das gegenüberliegende Gelände, ehemals im Besitz der Firma Giulini, wurde 1928 ebenfalls von der Stadt erworben und in einen öffentlichen Platz umgewandelt. Offiziell wurde der Neubau am 11. Mai 1929 dem Betrieb übergeben, die Besichtigung übernahm der Stadtbaurat und Planer Hans Graf persönlich. Der General-Anzeiger betonte lobend, dass mit diesem Werk Ludwigshafen einen Neubau erhalten habe, „der sich ausgezeichnet in das Stadtbild einfügt.“ Die Verbindung des Nutzbaues mit architektonischer Schönheit sei „vorbildlich gelöst“. Mit Blick auf die Finanzlage der Stadt wurde auf eine Eröffnungsfeier verzichtet, dennoch war dieser Moment für die Stadt keine Nebensächlichkeit. So wurden nicht nur die amtlichen Stellen des Landes informiert, auch wurde der Wirtschaft, Presse sowie Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit zur Besichtigung gegeben. Nach der Stilllegung des Umspannwerks wurden die Räume für städtische Ämter genutzt. Im Jahr 2011 wurde der unter Denkmalschutz stehende Komplex schließlich im Zuge der Stadtentwicklung zur Wohnanlage "Stadthaus am Lutherplatz" umgebaut.