Wer heute Oggersheim besucht, dem wird ein Name häufig begegnen: Friedrich Schiller. Neben dem Schillerhaus gibt es eine Schillerstraße, einen Schillerplatz, eine Schillerbüste vor dem Rathaus und sogar eine Schillerschule. In den sieben Wochen seines Aufenthalts galt der deutsche Nationaldichter als Deserteur und fand hier eine Zuflucht.

Rein äußerlich betrachtet ist das Gebäude in der Schillerstraße 6 recht unscheinbar – ein zweigeschossiger Putzbau mit Satteldach, in der Mitte der Fassade eine Durchfahrt mit Rundbogen. Wer sich allerdings dem Gebäude nähert, wird links auf halber Höhe eine Gedenktafel entdecken, auf welcher zu lesen ist: „In diesem Hause wohnte Friedrich von Schiller, der Dichtkunst in erwünschter Verborgenheit lebend, 1782“. Doch warum in „erwünschter Verborgenheit“?

Inkognito unterwegs

Das Haus stammt aus der Zeit um 1750, doch erst runde 14 Jahre später eröffnete der Wirt Josef Heinrich Schick aus Bad Dürkheim hier den Gasthof „Zum Viehhof“. Oggersheim war zu dieser Zeit Residenzstadt der Kurfürstin Elisabeth Auguste, 16 Wirtshäuser soll es gegeben haben. Der „Viehhof“ galt als jenes mit den meisten Kunden, unter ihnen zahlreiche Durchreisende, denn die Poststation lag günstig direkt gegenüber. Vom 13. Oktober bis zum 20. November 1782 mieteten hier zwei weitere Gäste unter den Namen „Dr. Schmidt“ und „Dr. Wolf“ ein Zimmer – es waren Friedrich Schiller und sein Freund, der Musiker Andreas Streicher. Dass sie unerkannt bleiben mussten war notwendig, denn Schiller befand sich zu diesem Zeitpunkt mit Streicher auf der Flucht. Nach einem Jura- und Medizinstudium war Schiller seit 1780 Regimentsarzt in Stuttgart gewesen, mit dem kargen Lohn und den Arbeitsbedingungen jedoch zunehmend unzufrieden. Schon lange hatte er sich mit Literatur beschäftigt und schließlich auch literarisch zu schreiben begonnen. Damit widersetzte er sich der Anweisung seines Landesherrn, dem württembergischen Herzog Karl Eugen, der ihn dazu anhielt, ausschließlich zu medizinischen Themen zu publizieren. Schillers erstes veröffentlichtes Drama „Die Räuber“ wird im Januar 1782 in Mannheim jedoch mit überwältigendem Erfolg uraufgeführt und macht ihn rasch berühmt.

Schiller erreicht sein Ziel nicht

Zur Uraufführung und auch noch ein weiteres Mal reiste Schiller nach Mannheim – allerdings ohne Erlaubnis. Zur Strafe erhielt er 14 Tage Arrest, das weitere Schreiben wurde ihm untersagt. Schiller floh schließlich gemeinsam mit seinem Freund in einer Nacht im September 1782 und war damit offiziell fahnenflüchtig. Die Reise führte ihn zunächst nach Mannheim, wo er sich Förderung durch den Intendanten des Mannheimer Nationaltheaters erhoffte. Diesem war der offizielle Kontakt mit dem Deserteur allerdings zu heikel, Schiller reiste weiter nach Frankfurt, von dort über Worms nach Oggersheim, wo er mit Streicher im „Viehhof“ unterkam. Die beiden Männer bezogen das linke Eckzimmer im ersten Stock und lebten dort aus Angst entdeckt zu werden äußerst zurückgezogen. Die Nähe zu Mannheim und seinem Theater schien jedoch ideal, der Dichter hoffte auf eine dortige Annahme seines Dramas „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“. In Oggersheim arbeitete Schiller außerdem am Drama „Kabale und Liebe“. Die Verhandlungen mit dem Mannheimer Theater blieben allerdings erfolglos, der „Fiesco“ wurde abgelehnt und von Schulden belastet verließ Schiller schließlich Oggersheim und reiste allein weiter in das thüringische Bauerbach. Die Gedenktafel an der Fassade ließ der bayerische König Ludwig I 1856 zum 50. Todestag des Dichters unterhalb des einst von „Dr. Schmidt“ und „Dr. Wolf“ bezogenen Zimmers anbringen. 1859 fand zu Schillers 100. Geburtstag eine große Gedenkfeier mit einem Festzug statt, die ehemalige Speyerer Straße wurde in Schillerstraße umbenannt. Als Widmung war dies zum ersten Mal in Oggersheim der Fall. Die Straße trägt auch heute noch den Namen und ist damit die älteste amtlich benannte Straße Ludwigshafens. Die Pflanzung einer Schillerlinde zum festlichen Anlass sollte vom damaligen Bürgermeister mit einer Rede begleitet und der junge Baum anschließend mit Wein begossen werden. Seine Rede hatte der Bürgermeister der Überlieferung nach jedoch vergessen und beging das Ritual mit den knappen Worten: „Do, wachs!“.

Eine Gedenkstätte entsteht

Um 1800 wurde in dem Gebäude kein Gasthof mehr betrieben. Nach dem Tod Josef Heinrich Schicks wurde es an die Familie Götz verkauft. Von 1902 bis 1910 diente der ehemalige „Viehhof“ dem Kaufmann Philipp Götz, der zudem von 1902 bis 1910 Bürgermeister von Oggersheim war, als Geschäfts- und Wohnhaus. Anschließend wechselte das Gebäude die Besitzer, verschiedene Gewerbe hielten Einzug. 1956 wurde es schließlich von der Stadt gekauft und unter Verwendung älterer Bausubstanz renoviert, um die Schäden des Zweiten Weltkriegs zu beseitigen.

Ehrenamtliches Engagement hält Gedenken wach

Zum 200. Geburtstag Schillers 1959 wurde das Haus mit einer großen Feierlichkeit als offizielle Schillergedenkstätte eingeweiht. Im Obergeschoss befindet sich seither ein Museum, das seinem Leben und Werk gewidmet ist. Hier sind unter anderem Briefe aus seiner Zeit in Oggersheim und eine vollständige Sammlung der Erstausgaben seiner Werke zu sehen. Im Erdgeschoss befindet sich die Zweigstelle der Stadtbibliothek, die ebenfalls 1959 eingeweiht wurde. Auf der Rückseite nach Norden wurde der Karl-Schenkel-Garten angelegt. Seit 1980 ist der Heimatkundliche Arbeitskreis im Schillerhaus aktiv und setzt sich ehrenamtlich für die Gedenkstätte ein. Gemeinsam mit der Stadt betreuen seine Mitglieder das Anwesen und organisieren dort unter anderem stattfindende Wechselausstellungen.