Julius Waldkirch war ein bedeutender Verleger Ludwigshafens, dessen Unternehmen in enger Bindung zur Stadt und ihrer wechselvollen Geschichte stand. Ab 1911 verlegte er seinen Firmensitz in die Amtsstraße, wo er ein Gebäude erbauen ließ, dessen vorderer Teil noch heute erhalten ist und das zu den schönsten Jugendstilbauten der Stadt zählt.

Die Vollendung seines neuen Gebäudes hat der Firmengründer, der noch an den Plänen mitgewirkt hatte, nicht mehr erleben dürfen. Er starb im August 1911, rund zwei Monate vor der endgültigen Fertigstellung. Eine 1912 im Verlag erschienene Festschrift zur Einweihung beschreibt das Haus als einen „repräsentablen, modernen Bau ohne luxuriöse Überladung“, im Innern an den „Anforderungen eines durchaus praktisch gegliederten Betriebes großstädtischer Art“ orientiert. Die Architektur des Jugendstil schien dabei die treffende Entscheidung, ist doch hier die Leitidee bestimmend, dass sich die Funktion eines Gebäudes in dessen Gestaltung widerspiegeln sollte – Architektur und Funktion verschmelzen gewissermaßen zu einem Gesamtkunstwerk. Die Betonung des repräsentativen und modernen Erscheinungsbildes kam also nicht von ungefähr, denn die Entstehung des Hauses ist auf eine verlegerische Erfolgsgeschichte zurückzuführen.

Ein junger Buchdrucker kommt in die junge Stadt

Julius Waldkirch, 1840 bei Freiburg geboren, heuerte zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Ludwigshafen 1865 zunächst bei der Buchdruckerei Baur am Ludwigsplatz an, wo die erste Tageszeitung der Stadt, der „Pfälzische Kurier“, gedruckt wurde. Bevor er sich selbständig machte, übernahm er die Stelle der Geschäftsleitung bei der Buchdruckerei August Lauterborn. Ab 1870 legte Waldkirch den Grundstein für ein eigenes Unternehmen im zunächst bescheidenen Umfang in der heutigen Wredestraße und verlegte unter anderem das erste gedruckte Adressenverzeichnis der Stadt. Nach mehreren gescheiterten Versuchen mit verschiedenen Zeitungen gelang ab 1876 schließlich der Durchbruch mit dem „General-Anzeiger für die Stadt und den Bezirk Ludwigshafen am Rh.“, ein Lokal- und Anzeigenblatt, das die Grundlage für die folgende wirtschaftliche Expansion ermöglichen sollte. Das Gebäude in der Wredestraße war bald zu klein, die Firma bezog ab 1877 einen Neubau in der Kaiser-Wilhelm-Straße.

Neue Räume für das expandierende Unternehmen

Im Laufe der 1880er Jahre entwickelte sich der General-Anzeiger zur auflagenstärksten Zeitung der Pfalz, Waldkirch investierte immer wieder in neue Technik, um die Produktion zu beschleunigen und die Auflage zu erhöhen. Dadurch konnte der Verlag den damals immer größer werdenden Leserkreis der Stadt bedienen. 1898 wurde die erste Linotype-Setzmaschine aufgestellt, eine von zweien in Süddeutschland, die die Drucktechnik revolutionierte und eine enorme Steigerung der Produktion ermöglichte. 1899 schließlich kam es zur Gründung der „Pfälzischen Rundschau“, der „große Bruder“ des General-Anzeigers, deren Inhalt überregional ausgelegt war und vor dem Ersten Weltkrieg die höchste Auflage der Pfalz erreichte. Zum 50. Jubiläum Ludwigshafens wurde bei Waldkirch die große Stadtgeschichte – das „Blaue Buch“ – gedruckt. Das Wachstum des Unternehmens und die stetige Investition in neue Technik zur raschen Erhöhung der Auflage ließen den Verlag prosperieren. Schließlich wurde, um die Entwicklung von Redaktion und Produktion frei entfalten zu können, das Gebäude in der Amtsstraße gebaut. Einer der Söhne, Wilhelm Waldkirch, seit 1897 Geschäftsführer des Unternehmens, entwarf die Werksanlage. Im März 1911 wird mit dem Bau begonnen, im selben Jahr im Oktober wurde er nach nur sieben Monaten zügig beendet.

Der Bau als Symbol

Der neue Bau war mit seinen hellen und großen Werksräumen an den praktischen Anforderungen eines modernen Großdruckereibetriebs orientiert, Werkswohnungen mit Bad und Zentralheizung für die Angestellten waren auch vorhanden. Ein Ableger von „Wolffs Telegraphisches Bureau“, die erste Nachrichtenagentur Deutschlands und die erste ihrer Art in Ludwigshafen, zog ab 1912 in die Amtsstraße. Der dreigeschossige Sandsteinbau ist großzügig angelegt. Sandstein wurde bevorzugt für Jugendstilbauten eingesetzt, er ist widerstandsfähig und ist mit Blick auf die Verzierungen der Fassade gut zu verarbeiten. Große Toreinfahrten und Fenster zu beiden Seiten lassen schon vom äußeren Eindruck her lichtdurchflutete Räume vermuten, im Innern erwartet die Besucherinnen und Besucher eine repräsentative Eingangshalle mit Marmortreppe. Das Gebäude hatte Wilhelm Waldkirch aufgrund der eigenen Erfahrungen konzipiert, der Mannheimer Architekt Karl Wiener, hauptsächlich im Industriebau tätig, entwarf die Pläne. Die Löwenköpfe zur Verzierung über dem Balkon dürften nicht zufällig gewählt worden sein, symbolisiert das Tier doch Mut, Machtanspruch und Hoheit. Auf die damalige Situation der Firma gewendet war dies eine durchaus realitätsbezogene Symbolik, denn das Unternehmen hatte sich zu dieser Zeit zum größten Verlagshaus der Stadt entwickeltund keine nennenswerte Konkurrenz zu fürchten.

Enteignung im Zweiten Weltkrieg

Unter der NS-Herrschaft wurde das Unternehmen 1933 vorübergehend besetzt, 1938 schließlich von der NSDAP enteignet. Erst 1952, nach einem langen Restitutionsprozess, ging es wieder in den Besitz der Familie über. Die schweren Angriffe auf die Stadt im Zweiten Weltkrieg haben die Amtsstraße nicht verschont, das Gebäude schwer getroffen, die Anlage wird bis auf den vorderen Teil zu 80 Prozent zerstört. Der Wiederaufbau des Gebäudekomplexes wurde 1960 abgeschlossen, 2011 wurde es zum 100-jährigen Bestehen grundlegend saniert. Heute befinden sich dort Gewerbeflächen und Wohnungen.